Montag, 15. März 2010

Kindesmissbrauch im St.Joseph-Haus Seligenstadt

Aufruf:

Alle ehemaligen Heimkinder des St. Josefhaus in Seligenstadt sind aufgefordert, sich bei mir zu
melden, um ein gemeinsames Vorgehen zu organisieren.

Ich selbst bin von 1958 - 1961 im Alter von 5 - 8 Jahren in Seligenstadt im St. Joseph-Haus gewesen,
und habe großes Leid durch Nonnen ertragen müssen.

Wir kinder wurden geschlagen und gequält. So bekamen wir Schläge mit dem Holzlineal auf die Fingerspitzen so lange, bis wir nicht mehr zuckten. Oft waren danach die Fingernägel blutig.
Das oftmals unerträgliche weil fette und sehnige Fleisch musste aufgegessen werden auch wenn man es erbrochen hatte, dann musste man das Erbrochene aufessen.

Auch steckte man uns Kinder stundenlang in Wannen voller kaltem Wassers. Oft musste ich mich einer Tortour unterziehen, bei der meine Fimose geweitet werden sollte. Das war sehr schmerzhaft und eine große Schande den anderen Kindern gegenüber.

Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht, und möchte sich mir anschließen. Es ist wichtig das Sie sich jetzt melden, gemeinsam können wir was erreichen.

Artus

Bitte schreiben Sie an: Illja.kurijakin@gmx.de
-Alle Kontakte werden streng vertraulich behandelt-



Auszug des Artikels von P E T E R W E N S I E R S K I
KIRCHE Unbarmherzige Schwestern

http://www.heimkinder-ueberlebende.org/SPIEGEL-Artikel_-_19.05.2003_-_KIRCHE_-_Unbarmherzige_Schwestern.html

Priester und Nonnen misshandelten in den fünfziger und sechziger Jahren [in Deutschland] Tausende Jugendliche, die ihnen in Heimen anvertraut waren. Die damals Betroffenen wollen den Skandal nun aufklären, stoßen aber auf eine Mauer des Schweigens.

Die Umerziehung zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft begann mit einer Lüge, im Namen des Herrn.

Im Fond des Autos, erinnert sich Gisela Nurthen an jenen Tag im Frühjahr 1961, habe eine fremde Frau gesessen und ihr gesagt: "So, jetzt machen wir einen kleinen Ausflug nach Dortmund, da triffst du viele Mädchen in deinem Alter, es wird dir sicher gefallen."

Gisela Nurthen, damals gerade 15, glaubte ihr und stieg ein. Die Fahrt von Detmold nach Dortmund war kurz, dann hielt der Wagen in der Oesterholzstraße 85 vor einem düsteren Ziegelsteinbau, umgeben von hohen Mauern. Eine Nonne führte das Mädchen in einen Raum, in dem es in wadenlange graue Heimkleidung gesteckt wurde. Der Blick nach draußen war ebenso trist: An den Fenstern fehlten die Griffe, Gitter markierten das Ende aller Sehnsüchte. Aus einer Ecke drang leiser Kirchengesang.

Der Teenager hatte verstoßen gegen Sitte und Anstand, wie sie die junge und prüde Bundesrepublik damals definierte. Trotz des Verbots ihrer allein erziehenden Mutter war Gisela tanzen gegangen, hatte sich am Ende nicht nach Hause getraut, war mit einem Jungen nach Hannover gefahren und am nächsten Morgen beim Versuch, zurückzutrampen, von der Polizei aufgegriffen worden. Nur 24 Stunden später hatte sie der Vormund beim Jugendamt, "weil weitere Verwahrlosung droht", in das Dortmunder Heim geschickt - geleitet von den "Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vincenz von Paul".

So begannen zwei unbarmherzige Lebensjahre, die der erwachsenen Frau noch heute zu schaffen machen. Zwei Jahre lang war das junge Mädchen mitten in Dortmund eine Gefangene, ohnmächtig gegenüber einem perfiden Repressionssystem frommer Schwestern, mit Prügel gezwungen zu Gebet, Arbeit und Schweigen.

Giselas Schicksal teilten in den Anfangsjahren des Wirtschaftswunderlandes viele Gleichaltrige. 1960 trimmten katholische und evangelische Erzieher in rund 3000 Heimen mit 200 000 Plätzen die ihnen Anvertrauten. Sobald sich die Tore der konfessionellen Besserungsanstalten hinter ihnen schlossen, mussten viele von ihnen schmerzhaft erfahren, was damals Buße bedeutete: Misshandlungen, Ungerechtigkeiten, soziale Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen im Namen Gottes und der Kirche, die bis heute unangeklagt und damit ungesühnt sind.

In Amerika und England verlangen seit kurzem ehemalige Opfer katholischer Heime Entschuldigung und Wiedergutmachung. Sollten sich auch die deutschen Heimkinder dazu entschließen, müssen sie sich wohl auf einen schweren Kampf gegen die Institution Kirche einrichten. Der Vatikan reagierte bislang ähnlich abweisend wie vor zehn Jahren, als die ersten Missbrauchsvorwürfe gegen Priester laut wurden. Und bei der Deutschen Bischofskonferenz, den Ordensgemeinschaften, bei Caritas und Diakonie will man angeblich nicht wissen, was jahrzehntelang unter ihrer Verantwortung geschehen ist.

Dabei liegen die letzten dieser Fälle gar nicht so lange zurück. So wurden Kinder im "St. Joseph-Haus" in Seligenstadt noch 1992 blutig geschlagen. Und im katholischen Stift zu Eisingen bei Würzburg wurden sie noch im Jahr 1995 beispielsweise zur Strafe in Badewannen mit kaltem Wasser gesteckt.

Doch vor allem von 1945 bis etwa 1970 wurden die schlimmsten Pädagogikvorstellungen der Nazi-Zeit in der kasernierten Fürsorgeerziehung nahezu ungebrochen fortgesetzt. Erst die "Heimkampagne" der APO und vereinzelte, auch von Ulrike Meinhof unterstützte "Befreiungsaktionen" leiteten Reformen ein.